Wände sprechen Bände

In Kerstin Flakes Fotoserie „Wände sprechen Bände“ (2000/2001) hat ein performativer Eingriff in Wohnkulissen bereits vor der Aufnahme stattgefunden. Flake hat sich in Möbelhäuser begeben, um die dortigen „Wände“, Wohnraummodelle, auf ihren Realitätscharakter hin zu prüfen. Mit inszenierten „Alltags-Unfällen“ haucht sie den täuschend echten, doch artifiziellen Kulissen für einen Moment wieder Leben ein. Das unvorhergesehene Malheur im Vordergrund ist jeweils so minutiös erfasst, dass das Eintreten des Ernstfalls an seinem Kipppunkt sichtbar wird. Wie bereits in anderen Serien, z. B. „Fake Spaces“, scheinen die beteiligten Gegenstände ein Eigenleben zu entwickeln, das im Kontrast zur geordneten häuslichen Idylle des Hintergrundes steht: die platzende Einkaufstüte, die den Händen entgleitet, die Polaroid Kamera, die in den Pool fällt, der grüne Farbeimer, der von der Leiter kippt. Flake sagt dazu in einem Interview: „Selbst die Musterräume sind nicht sicher vor Irritationen und Brüchen. Die perfekte Wohnidylle fordert die Katastrophe förmlich heraus, damit endlich etwas Reales in diese Räume einziehen kann.“ Andersherum ergibt sich in „Wände sprechen Bände“ ganz nebenbei die Frage, warum sich Menschen in realen Lebenszusammenhängen zunehmend in „Musterräumen“ einrichten, nach welchen Vorbildern Lebensentwürfe entstehen und wie tief die Sphäre des Repräsentativen bereits in das Private eingedrungen ist.

Bettina Reichmuth

 

Wände sprechen Bände
2000 – 2001

7 C-Prints, 60 x 74 cm

Edition: 6 plus 1 a.p.
all courtesy Galerie Kleindienst Leipzig